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Preisschilder

Preisschilder

Das Leben wird immer digitaler. Und deshalb wird eins automatisch immer wertvoller: unsere Daten.
Um Dienstleistungen kundenfreundlicher zu machen.
Um Werbung zu verkaufen.
Um Nutzer an sich zu binden.
Um KI’s zu trainieren.
Um sich legal oder illegal Zugang zu unserem Leben zu verschaffen.

Manche Firmen und Institutionen tun ihr bestes, unsere Daten zu schützen.
Andere betrachten die Daten als ihren rechtmäßigen Besitz. Wir Menschen haben ja damit z.B. die Nutzung von Software bezahlt. „Wenn ein Produkt keinen Preis hat, bist du die Ware.“

Wir alle sind ein Produkt. Wir tragen Preisschilder.

🙂

Während sich das Leben also immer mehr in den digitalen Raum verlagert, werden wir immer gläserner und abhängiger. Das ist nicht gut. Wer das zu 100% vermeiden möchte, muss vermutlich den Planeten wechseln.

Aber man kann den Verlust seiner Daten wenigstens begrenzen. Und genau damit war ich die letzte Woche intensivst beschäftigt. Für diejenigen von euch, die sich für die Technik dabei und mein vorläufiges Ergebnis interessieren, hier mein Bericht:

1. Linux

Ich hab noch ein uraltes Notebook von 2010. Das ist zwar langsam, aber es läuft. Da könnte ich doch mal testen, wie ich mit Linux zurecht käme.

Über die Jahrzehnte hab ich mit Linux so viele Anläufe genommen wie mit dem Französischlernen. Und ich war leider ähnlich erfolglos. Entweder hab ich Linux gar nicht installiert bekommen. Oder ich konnte danach nichts damit anfangen, weil das System alles sabotiert hat, was ich machen wollte. „Sie haben nicht die Berechtigung“, „Treiber nicht vorhanden“ oder benötigte Software oder Funktionen waren schlicht nicht verfügbar. Nach spätestens 30 Minuten ging nichts mehr weiter, ohne kryptische Befehle auf einem schwarzen Textbildschirm einzutippen. Kommandos, die ich gar nicht kenne. Also Endstation und back to Windows.

Aber vielleicht ist es ja doch endlich einfacher geworden. Es kostet nichts. Zeit hab ich ohne Ende. Und zurück zu Windows geht notfalls auch heute noch. Also an’s Werk!

Okay, ich hab drei Anläufe mit verschiedenen Linux-Versionen gebraucht, weil der alte Knabe nur 2GB Hauptspeicher hat. Aber ich hab es geschafft! Lubuntu ist drauf und läuft!

Kann ich nun auch meinen Hauptrechner auf Linux umstellen?
Jein. Capture One hab ich damals für 200€ gekauft, damit bearbeite ich meine Fotos. Es gibt schon auch freie Software, die das kann. Aber es ist damit wesentlich mühsamer. Und ich könnte zwar meine knapp 15.000 Rohfotos übernehmen, aber nicht die Bearbeitungen, die ich über die Jahre vorgenommen hab.
Und für eine parallele Installation von Windows und Linux plus meine ganzen Daten ist die Festplatte wahrscheinlich zu klein.

Ich schwanke noch. Aber es arbeitet in mir…

2. Smartphone ohne Google

Ich hab auch noch mein altes Smartphone, ein Pixel 4a rumliegen. Das ist wie neu. Ich musste letztes Jahr nur deshalb ein neues Gerät kaufen, weil Google die Sicherheitsupdates nach zwei Jahren eingestellt hatte. Das hatte mich furchtbar geärgert.

Das Betriebssystem Android ist eigentlich freie Software, die niemandem gehört. Aber Google hat Funktionen dazu gebastelt, die das Leben im Alltag einfacher machen. Wie ganz oben schon beschrieben aber halt zu dem Preis, dass immer mehr Daten nach Kalifornien wandern.

Also hab ich mich auch hier ans Werk gemacht. Es gibt ein ‚Custom Rom‘ (so nennt man diese Google-freien Android-Varianten), das auch für mein altes Gerät noch Updates bekommt. Es heißt /e/OS, und es hat sogar ein Installationsprogramm, das einen vom Windows-PC aus Schritt für Schritt durch die Installation führt.
Theoretisch. Praktisch blieb es gleich am Anfang hängen. Also fragte ich jemanden in der Familie, der sich damit auskennt. Der hat das Telefon abgeholt, /e/OS drauf geklopft und mir das Ding zwei Tage später wieder vorbei gebracht. Ich hab gestaunt.

Natürlich hab ich dann gleich angefangen, meine Apps zu installieren. Und natürlich nicht aus dem Google Play Store, weil dazu müsste man sich ja wieder bei Google anmelden, dann ginge alles von vorne los.
Nein, es gibt auch einen alternativen App Store, wo ausschließlich freie und sichere Software ohne Werbung drauf ist. Leider ist das Angebot dort sehr dünn.
Und es gibt einen App Store namens ‚Aurora‘, der sich die Apps aus dem Google Store holt, aber eine fiktive IP-Adresse dabei verwendet.

Es waren drei Tage Arbeit, bis ich alles so weit eingerichtet und meine Daten wieder auf dem Smartphone hatte. Man kann ja nun nicht mehr einfach von Google alles automatisch rüberspielen lassen. Aber ich bin nun fast fertig damit.

    Seit zwei Tagen nutze ich jetzt ausschließlich das googlefreie Gerät. Das meiste bedient sich genau gleich wie bisher. Garmin bekommt meine Daten weiterhin in die Cloud, sonst wäre meine Smartwatch nicht nutzbar. Und an der hängt ja ein gutes Stück weit meine restliche Gesundheit. Davon abgesehen fließt aber nichts mehr ab!

    Es gibt tatsächlich nur eine einzige Anwendung, auf die ich komplett verzichten muss:
    ‚PhotoPills‘ ist eine App, die ich mir gekauft hatte, um den Verlauf von Sonne, Mond und Milchstraße zu überblicken und Fotos planen zu können. Fotos wie hier oder hier wären ohne diese App nicht möglich gewesen. Hier gibt es keinen Ersatz. Allerdings komme ich auch kaum noch morgens oder abends vor die Tür zum Fotografieren.

    Nach zwei Tagen überwiegt eindeutig das gute Gefühl.
    Erstens kann ich mein altes Smartphone wieder einwandfrei nutzen. Selbst der Akku hält viel länger als vorher, weil nicht mehr ständig so viele Daten hin und her geschickt werden.
    Zweitens gibt es keine nervigen Werbebanner mehr.
    Und drittens hab ich im Überblick, wem ich welche Daten geben möchte und wer Zugriff auf mein Gerät hat.

    Ich bin sehr gespannt, wie diese Reise weiter geht!