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Kreatin

Auf Kreatin..

  • ME/CFS

Anfang des Jahres hatte ich noch leicht ironisch drüber geschrieben: „Jahreswechsel auf Koks„.
Und jetzt das.

Nach über sechs Jahren Krankheit weiß ich glaube ich grob das meiste, was es bisher zu ME/CFS zu wissen gibt. Und doch gibt es immer wieder Überraschungen. Katrin schickt mir aus München eine Studie zur Wirksamkeit von Kreatin bei ME/CFS.

Kreatin? Nie von gehört. Ich lese rein. Okay, eine kleine Studie, nur 15 Teilnehmende. Aber nach einigen Wochen doch deutliche Verbesserung der Symptomatik. Also recherchiere ich erst mal.

  1. Was ist Kreatin?

Erstens, gaaaanz wichtig: Kreatin, NICHT Ketamin!
Letzteres macht die Welt zwar auch irgendwie lebendiger, aber man kann wohl auf üble Trips kommen. Manche Konsumenten sollen schon spontan den rechten Arm gehoben und binnen Tagen die Verwaltungsstrukturen ganzer Nationen ruiniert haben. Definitiv andere Baustelle!

Nein, Kreatin ist essenziell für die Energieversorgung der Zellen.
Wenn ein gesunder Mensch ganz gemütlich los wandert und dann das Tempo erhöht, steigt der Puls an, die Atmung wird intensiver. Das ist wichtig, damit mehr Sauerstoff eingeatmet und zusammen mit Nährstoffen zu den Zellen gebracht wird. Die Mitochondrien produzieren daraus ATP. Das ist der Treibstoff all unserer Zellen. Die Muskeln können dann mehr Arbeit verrichten.

Wenn wir aber ganz schnell los rennen müssen, haben wir keine Zeit, Puls und Atmung zu erhöhen. Vielleicht geht es ja um Leben und Tod. Deshalb kennen unsere Zellen eine Abkürzung:
Mittels Kreatin können sie ganz direkt und ohne die Mitochondrien ATP-Moleküle regenerieren. Das reicht bei hoher Belastung nur für einige Sekunden, aber es überbrückt die Spanne, bis die Mitochondrien die reguläre Energieproduktion (die ‚aerobe Zellatmung‘) hoch gefahren haben.

Als ich das lese, ist mir schlagartig klar, weshalb Kreatin bei ME/CFS wichtig sein könnte: Bei uns funktioniert ja diese aerobe Zellatmung nicht mehr richtig. Um so wichtiger ist es, dass wenigstens genug Kreatin verfügbar ist. Unser Plan B!

2. Wie komme ich dran?

Kreatin ist ein Molekül, das der Körper normalerweise ausreichend selbst herstellt. Wir können es auch aus der Nahrung aufnehmen, allerdings nur aus Fisch und Fleisch. Nun esse ich selten Fleisch, fast gar keinen Fisch. Und mit ME/CFS hab ich wahrscheinlich sogar einen deutlich höheren Bedarf. Es könnte sich also sehr lohnen, das mal zu testen.

Nicht lang gefackelt, ich bestelle mir ein Pfund hochreines Kreatin-Pulver beim Dealer meines Vertrauens.
1 Gramm Kreatin ist etwa in einem Steak enthalten.
3 Gramm pro Tag gelten als definitiv unbedenklich.
8 Gramm hatten sie in der Studie täglich genommen, die Nebenwirkungen waren wohl gering (vereinzelt leichter Durchfall, leichte Kopfschmerzen).
In den USA werden teilweise bis zu 30 Gramm pro Tag als unbedenklich betrachtet. Aber wer weiß – wenn man grade so schaut, was da drüben passiert…

3. Der Versuch

Ich will ganz vorsichtig sein und wiege 1 Gramm ab. Ich rühre es in ein Glas Wasser, es schmeckt nach nichts. Der Plan ist, nach einer Woche auf 2, dann auf 3 Gramm zu gehen und zu schauen, ob dann was passiert. Und danach ggf. weiter zu erhöhen.

Am Sonntag morgen (30.03.) starte ich. Und bin den ganzen Tag irgendwie wacher. Abends merke ich irgendwann, dass schon halb zehn ist und ich fühle mich noch klar und konzentriert.

Und so geht es in den Folgetagen weiter. Ich richte mir morgens mein Frühstück auf Autopilot und muss mich dafür nicht konzentrieren. Ich hab etwas mehr Kraft in den Beinen. Ich bin fast jeden Tag mal draußen. Tags drauf keine Spur von Muskelkater.

Ich fühle mich weniger anfällig. Ich hab endlich mal wieder das Gefühl, aktiv auf den Tag zuzugehen und nicht nur auf die dringenden Erfordernisse zu reagieren.
Die Tage sind lebendiger, die Nächte allerdings auch. Ich träume wild, schlafe unruhiger.

Meine Garmin-Uhr bemerkt von all dem nichts. Ich fühle mich nun deutlich besser als die Werte vermuten lassen. Seltsam, aber lieber so als umgekehrt. 🙂

Am Samstag morgen bemerke ich doch einen Einschnitt: Die Lymphknoten sind etwas dick, die Atmung mühsam, da ist wieder der Druck auf der Brust. Mist, hab ich es übertrieben? Oder ist das ein Infekt? Aber schon zwei Stunden später bin ich trotzdem mit dem Rollstuhl auf dem Markt. Weil ich spüre, dass es geht.

Es ist verrückt. Ich fühle mich einerseits wie gedopt.
Und andererseits wieder mehr wie ich selbst.
Dabei ist es ja im Grunde nur ein Nahrungsergänzungsmittel.
Mal schauen, wenn ich mich morgen okay fühle, gehe ich mal auf 2-3g hoch…

Disclaimer: Okay, das Titelfoto für diesen Beitrag oben war gestellt. Fürs Abwiegen hab ich eine kleine Briefwaage genommen. Und natürlich schütte ich auch nicht wirklich Häufchen auf einen Spiegel. Aber ich konnte es mir einfach nicht verkneifen… 🙂

2 Gedanken zu „Auf Kreatin..“

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