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Sucht und Wahl

Die Begegnung Anfang letzter Woche auf der Heiligenreute lässt mich nicht los. Es war ein ganz normales Gespräch. Aber normale Gespräche sind selten geworden, sofern man nicht inhaltlich eh in allem komplett übereinstimmt.

Was ist da passiert?

Populismus ist passiert.

Was ist Populismus überhaupt? Ist das nicht nur ein Schimpfwort für Leute mit anderer Meinung?
Vom Wort her (‚populus‘ – das Volk) klingt das doch nicht schlecht. Der Wille des Volkes, ist das nicht Demokratie?

So wie ich das verstanden habe, ist Populismus der Versuch und der Wille, die Komplexität der Welt um jeden Preis und mit allen Mitteln zu reduzieren. Und deshalb Gefühle und Subjektivität im Zweifel wichtiger zu nehmen als logisches Denken und überprüfbare Fakten.

Die Pandemie hatte das befeuert, weil die eigene Haltung und Entscheidung so oder so automatisch auch eine Entscheidung für alle anderen war (z.B. Herdenimmunität vs. Freiheitsrechte). Das ist natürlich eine schwierige Situation für eine Gesellschaft.

Social Media hat das befeuert, weil da erstens kaum Raum ist für ausführliche Informationen und zweitens nur belohnt und verbreitet wird, was maximale Aufregung auslöst.

Aber warum kommen wir da nicht wieder raus?
Mir kam heute morgen eine Analogie, die sich richtig festgesetzt hat:

Der Anfang

„Gestern war ich bei einer Feier. Das war mal so richtig schön!
Wir haben angestoßen, gut gegessen, es war so harmonisch!“

„Gestern war ich bei einem tollen Vortrag.
Was die da gesagt haben, hat mich total angesprochen.
Ich hab mich echt verstanden gefühlt,
das hat so gut getan und mich so inspiriert!“

Der Zweck

„Ich bin in letzter Zeit geselliger geworden!
Ich hab gemerkt, wenn ich ein, zwei Gläser trinke, werde ich lockerer.
Ich fühle mich dann mehr wie ich selbst.
Das macht es so viel leichter!“

„Ich bin jetzt in so einer Gruppe. Die haben echt den Plan.
Die haben verstanden, wo unsere Probleme her kommen.
Es ist eigentlich alles ganz einfach.
Jetzt weiß ich endlich, dass es eine Lösung gibt.“

Die Abhängigkeit

„Ja, ich trinke öfters ein paar Gläschen.
Aber so viel ist es auch wieder nicht.
Ich hab das total im Griff, ehrlich!“

„Die Welt ist wirklich in einer tiefen Krise.
Es gibt böse Kräfte, die wollen uns alles wegnehmen.
Diese bösen Menschen müssen wir aufhalten,
dann wird wieder alles gut.

Das wissen alle in unserer Gruppe!
Aber da draußen sind so viele Ahnungslose!“

Die Eskalation

„DU SCHEISSS AAA… AARSCHLOCH!
ICH … MACH D..DICH ALLE!!!“

„AUSLÄNDER RAUS!“ „LÜGENPRESSE!“
„TOD DEN UNGLÄUBIGEN!“
„FIGHT, FIGHT, FIGHT!

Das Ergebnis

In beiden Fällen: Entzug.
Oder fast unvermeidlich Tod und Zerstörung.

Populismus wirkt wie eine Droge

Er ist verführerisch, weil er einem anfangs ein gutes Gefühl gibt. Verbundenheit, Erleichterung. Wenn wir ganz ehrlich zu uns sind – niemand lebt da 100% abstinent. Wir sind alle Menschen. Wir brauchen Gemeinschaft und Bestätigung, und dazu müssen wir uns ein Stück weit einlassen und manchmal anpassen. Und niemand könnte auch nur annähernd immer alles Nötige wissen und alle Faktoren angemessen berücksichtigen.

Aber der Populismus will sich mehr nehmen. Er verhärtet die Grenze zwischen ‚wir‘ und ‚die‘.
Je mehr man sich darauf einlässt, desto schwerer kann die eigene Persönlichkeit dagegen halten.
Mit jedem Nachgeben wird man ein Stückchen mehr verschlungen vom Kollektiv, in dem man sich befindet.

Wenn man dem lange genug folgt, kann man nicht mehr klar denken, egal wer man vorher war.
Eine Droge kapert das Belohnungszentrum im Gehirn und zerstört die Nervenzellen.
Beim Populismus löst die emotionale Dauererregung einen permanenten Stress aus. Wer in einem gefühlten Überlebenskampf ist, hat nicht mehr die Ruhe, zu recherchieren und Fakten abzuwägen. Und schon gar nicht mehr die Geduld, das Verständnis und die Toleranz für andere Perspektiven.

Deshalb ist es sinnlos, bei einem einmal Abhängigen an die Vernunft zu appellieren, denn die ist da nicht mehr verfügbar. Wer abhängig ist, muss das selbst einsehen und die Entscheidung treffen, einen Entzug zu machen.

Von außen kann man nur die Tür offen halten.
Und dafür sorgen, dass durch die Abhängigkeit keine Katastrophen passieren.
Ein Alkoholiker sollte auf keinen Fall in einer Bar Bier zapfen oder Waffen tragen.
Populisten sollten auf keinen Fall an die Macht kommen.

Wer das Glück hat, wenigstens halbwegs denken und abwägen, reflektieren und zuhören zu können, steht da in der Verantwortung!

Am 23. Februar ist Bundestagswahl!

Kleiner Hinweis noch: Das Titelbild wollte ich eigentlich fotografieren. Aber meine Wohnung ist so ziemlich das Gegenteil einer schummrigen Bar. Da helfen alle Tricks und Kniffe nichts. Also hab ich der KI (hier ChatGPT) noch mal eine Chance gegeben. Im Gegensatz zu Hähnchenknochen kann sie Kneipen offensichtlich ziemlich gut… 🙂

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