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Geist

Der Geist von der Weingartenstraße

  • ME/CFS

Endlich hatten wir nun einige Sonnentage! Und ich konnte nicht raus. Es fehlt hinten und vorne die Energie. Den Sonntag hab ich zur Hälfte verschlafen, danach hatte ich immer noch Mühe, drei Sätze am Stück zu verarbeiten, bevor ich den ersten wieder vergessen hab. Zum Glück wurde das seither wieder besser. Bis wann ich wieder Ausflüge machen oder mich mit Freunden treffen kann, weiß ich aber noch nicht.

In solchen Phasen kommt kein neues Leben hinzu, keine neuen Eindrücke, keine äußere Inspiration. Dann wandert der Blick schnell in die Vergangenheit. Mein ‚richtiges‘ Leben endete spätestens Herbst 2020, als ich die Beziehung mit Katrin beenden musste. Das sind jetzt über drei Jahre! Seither ist es hauptsächlich ein ruhiges Überbrücken und Abwarten, bis vielleicht irgendwo Hilfe herkommt.

Dieses alte, ‚richtige‘ Leben verblasst aber langsam in mir. Mit jedem Zurückschauen geht etwas Farbe, etwas Glanz, etwas Geschmack verloren. Die Erinnerungen werden schal. Ich musste kürzlich an den Film ‚Million Dollar Baby‘ denken. Die Boxerin fleht nach ihrem schweren Unfall darum, sterben zu dürfen, so lange sie den Applaus des Publikums noch im Ohr hat. Jetzt verstehe ich das besser.

Natürlich ist meine Lage längst nicht so extrem wie bei ihr. Und bisher gab es ja auch immer wieder mal Phasen, wo ich häufiger raus fahren, Neues sehen konnte. Diese Phasen sind essenziell. Sonst werde ich zum Geist in einem verlassenen Gemäuer. Nicht tot, aber auch nicht mehr lebendig. Ich nehme zwar noch manche Dinge wahr, aber ich bin nicht mehr richtig mit der Umwelt verbunden. In keinem Roman, keiner Geschichte, die ich kenne, ist der Geist mit diesem Zustand glücklich. Es geht immer darum, Erlösung zu finden und sterben zu dürfen.

Ich hab kein Interesse, Einzug in die Ortenauer Sagenwelt zu halten. Berühmtheit ist nicht alles. Also bitte, liebes Schicksal, lieber Gott, liebes Was-weiß-ich, wenn ich hier irgendwas bewegen können soll, gib mir bitte auch die dazu nötige Energie!

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