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Auwald

Auto fahren!

Meist bin ich ja mit meinem Motorroller unterwegs, wenn ich fotografieren will. Das funktioniert wunderbar, bis es deutliche Minusgrade hat oder mein Ziel weiter als zehn Kilometer weg ist. Die Bahn ist für mich leider keine gute Alternative mehr. Ich muss ja mit dem eScooter erst mal zum Bahnhof, ihn mit rein nehmen. Hoffen, dass ich einen Sitzplatz bekomme. Und am Zielort damit weiter fahren. Dazu kommen kaputte Aufzüge am Bahnsteig, kurzfristig ausfallende Züge und so weiter. Mit ME/CFS ist das alles zusammen genommen viel zu anstrengend.

Deshalb juckt es mich schon länger, mich nach zwölf Jahren wieder ans Autofahren ran zu tasten. Ich hab mich also beim Carsharing angemeldet. Mit ordentlich Aufregung machte ich mich Anfang August an die erste Fahrt. Ich brauchte eine halbe Stunde und ein Telefonat mit der Hotline, bis ich das Auto überhaupt fahrbereit hatte. Das ist echt kompliziert, vor allem wenn die Anleitung im Handschuhfach nicht mit der Wirklichkeit im Auto überein stimmt.

Ich parkte also aus, fuhr einmal um den Block und machte mich wieder ans Einparken. Dabei trat ich aus alter Gewohnheit auf die Kupplung. Schlechte Idee, bei Elektroautos ist da das extrabreite Bremspedal. Rummms! Das Auto stand, noch halb auf der Straße. Ich erschrak ganz schön, und fürs Erste reichte mir das völlig.

Die zweite Fahrt vor zwei Wochen führte mich schon über Fessenbach und Ortenberg. Und machte fast schon Spaß! Wenn man den linken Fuß unter den Sitz klemmt, ist das Problem mit der Phantomkupplung behoben.

Heute will ich es noch mal versuchen. Sonntag morgen, da ist auf den Straßen nicht viel los. Leider sind die beiden Autos bei mir um die Ecke verliehen. Also buche ich eins beim Schwimmbad. Da muss ich den eScooter mitnehmen, aber den kann ich am Zielort ja auch gut brauchen.

Als ich am Fahrzeug ankomme, ist der Kofferraum voller Hundehaare. Ich will nicht am Ende 35 € für die Reinigung zahlen müssen. Also bei der Hotline anrufen und das melden. Es dauert diesmal immerhin nur noch fünfzehn Minuten, bis ich losfahren kann. Eilig darf man es jedenfalls nicht haben, wenn man Mietwagen nutzt.

Ich fahre los. Aus Offenburg raus, auf den Autobahnzubringer und weiter Richtung Rhein. Ich muss höllisch aufpassen, das richtige Tempo zu halten. Es gibt bei E-Autos ja keine Gänge, keine Drehzahl, kein Motorgeräusch, keine Vibrationen. Tempo 25 und 100 fühlen sich exakt gleich an. Ich schwebe in meinem kleinen Raumschiff völlig losgelöst dahin. Kurz nicht auf den Tacho geschaut, schon wieder zu schnell oder zu langsam. Das ist tatsächlich grade das Anstrengendste am Fahren. Und ich muss mich zusammenreißen, nicht ständig nach Fotomotiven links und rechts zu schielen. Disziplin, Herr Schorn!

Gefühlt einen Wimpernschlag später bin ich schon am Ziel und lade den eScooter aus. Aber der bringt mir fast nichts. Es ist hier so schlammig und nass überall, dass ich nicht von der Teerstraße runter kann. Ich traue mich selbst zu Fuß nicht in den Wald. Ich muss nachher ja wieder ins Auto und kann da keine Schlammbrocken hinterlassen. Das ist echt unentspannt. Wenn mein Roller dreckig wird, wird er beim nächsten Regen automatisch wieder sauber.

Trotzdem ist es ein schöner kleiner Ausflug. Die Atmosphäre ist surreal: trübes Wetter, wilder Auwald links und rechts. Das Kieswerk-Förderband über mir steht wie eingefroren. Niemand unterwegs, kein Mensch, kaum ein Tier. Stille. Dann sehe ich etwas Weißes im Gestrüpp, nehme die Kamera hoch. Ein Silberreiher, das sieht toll aus! Kaum hab ich ihn fotografiert, verschwindet er. Kurz darauf fliegt einer hoch über mir vorbei…

Viel mehr ist hier nicht los. Ich spüre langsam meine Beine, und so mache ich mich lieber wieder auf den Heimweg. Die Rückfahrt geht gefühlt noch schneller, ich bin ganz erstaunt, wie flüssig und leicht das geht. Unter diesen Umständen könnte ich auch noch ein schönes Stück weiter fahren.

Als ich in Offenburg ankomme, bin ich noch zehn Minuten beschäftigt, bis das Auto an der Ladesäule angeschlossen und wieder verriegelt ist. Mann, ist das kompliziert! Und jedes Auto ist da anders, auch wenn fast alles Renault Zoes sind. Es ist wie bei Kurzstreckenflügen: Man ist deutlich länger beim Ein- und Auschecken als in der Luft.

Trotzdem, wenn sich mein Zustand so hält wie im Moment, könnte mir das Auto wieder ganz neue Möglichkeiten eröffnen!

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