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Frage1

Was will mir die Krankheit sagen?

  • ME/CFS

Gestern hab ich erfahren, dass eine Bekannte verstorben ist. Sie hat nach Jahren den Kampf gegen den Krebs verloren. Sie war wohl sehr lange zuversichtlich gewesen, gewinnen zu können. Mit der richtigen Haltung, den richtigen Mitteln…

Mich hat die Nachricht betroffen gemacht. Wir hatten nicht sehr viel Kontakt gehabt, und in den letzten Jahren gar nicht mehr. Aber warum eigentlich nicht? Kein besonderer Grund. Es hatte (wie so oft) nur einfach keinen besonderen Grund gegeben, grade jetzt Kontakt aufzunehmen. Zu spät.

Das ist aber nicht das einzige, was mich daran beschäftigt. Letzte Woche wurde ich in einer E-Mail mal wieder gefragt, ob ich mir schon mal Gedanken darüber gemacht hätte, was mir meine Krankheit sagen möchte. Klar hab ich. Sehr oft sogar. Aber so viel ich auch nachdenke, nachspüre, die Perspektive ändere, ich bekomme keine plausible Antwort. Im Gegenteil: Die Krankheit sabotiert fast alles, was mich weiter bringen könnte. Sie nimmt vieles weg, was ich mir in Jahrzehnten mühsam erarbeitet hatte. Sie drängt mich in alte, ungesunde Muster zurück, und es ist wirklich schwer, das zu verhindern. Wenn ich will, dass jemand irgendwo hin geht, dann sollte ich ihn doch vielleicht nicht festketten? Nein, ich finde keinen Sinn darin.

Aber wer sagt überhaupt, dass es immer einen Sinn gibt? Wir wollen gerne daran glauben, weil es Hoffnung macht. Weil wir das Gefühl bekommen, nicht ausgeliefert zu sein. Das ist sehr menschlich, doch es hat auch eine dunkle Seite. Wenn man davon ausgeht, dass jede Krankheit einen Sinn hat, dann impliziert das einen Vorwurf: „Du glaubst nicht genug! Du glaubst das Falsche. Du tust zu wenig. Oder zu viel. Oder du schaust nicht genau genug hin! Sonst wärst du ja schließlich nicht mehr krank.“ Das tut weh. Als würde das Leid nicht reichen, bekommt man auch noch Schuld aufgeladen. Natürlich ist es überhaupt nicht so gemeint, aber es ist das Ergebnis.

Vielleicht überschätzen wir Menschen unsere eigene Bedeutung maßlos. Es gibt sicher viele Fälle, wo unser Verhalten Ursache ist für Leid. Oder wo unsere Haltung zumindest mit rein spielt. Es ist nicht schwarz-weiß. Aber ich glaube, dass man auch einfach Pech haben kann. Nichts falsch gemacht, zur falschen Zeit am falschen Ort, und peng! Und nichts und niemand kann etwas dran ändern. Es gibt keinen Sinn, keine Rechtfertigung, keine Schuld aus einem eventuellen früheren Leben. Und manchmal – glaube ich – ist das die gnädigere Haltung.

Wir sind Teil der Schöpfung. Tiere erkranken und sterben, und niemand fragt nach dem individuellen Sinn. Wir Menschen können nachdenken und reflektieren. Aber sind wir deshalb so weit erhaben über unsere Herkunft, dass wir uns Kraft unseres Willens und unserer Erkenntnis über Krankheit und Tod hinweg setzen können? Wir versuchen es mit Medikamenten, Impfungen, Operationen und so weiter, und das ist gut so. Aber haben wir individuell wirklich einen Anspruch auf Gesundheit und Leben? Gegen wen? Versuche ich nicht, mich selbst zu einem Gott zu machen, wenn ich glaube, dass ich jede Krankheit besiegen kann, wenn ich nur will und das Richtige tue und denke? Hat das Tier der Gattung ‚Homo Sapiens‘ wirklich so ein Potenzial?

Ich hab keine Ahnung. Am Ende muss wohl jeder, der mit Krankheit und nahem Tod konfrontiert ist, seinen ganz eigenen Weg und seine eigene Haltung finden. DIY im besten Sinne…

2 Gedanken zu „Was will mir die Krankheit sagen?“

  1. Lieber Klaus,
    ich danke danke dir fürs Teilen dieser Gedanken, die mir mal wieder fast wie meine eigenen vorkommen…
    Ich lese gerade ein Buch über Heilung durch Gedankenkraft, das mir von einer Freundin empfohlen wurde. Musste mich erst mal überwinden, weil mir so ein Konzept schon ein bisschen fremd ist.
    Und jetzt beim Lesen mache ich auch diese Erfahrung: Ich bekomme den Eindruck, hier wird mir eine Verantwortung aufgeladen, die wahrscheinlich gar nicht eingelöst werden kann. „Hier hast du eine Möglichkeit, dich selbst gesund zu machen“, das wird gesagt. Und was bei mir zusätzlich mit ankommt, ist: „Wenn dir das nicht gelingt, liegt es daran, dass du nicht genug glaubst, oder nicht hart genug an dir arbeitest.“
    Ich Versuche gerade, zu gucken, ob nicht doch was Wertvolles für mich dabei ist und mir diesen Verantwortungs-Schuh einfach nicht anzuziehen.
    Sehr hilfreich finde ich in diesem Zusammenhang deinen Vergleich mit dem Tierreich.
    Hab eine schöne sonnige Zeit!
    Stefan

    1. Hallo Stefan,
      jetzt hab ich deinen Kommentar auch gefunden. Die Benachrichtungsmail war untergegangen…
      Aber miteinander telefonieren ist ja eh besser als nur zu schreiben. 🙂

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