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Achertal

Auf dem zweiten sieht man besser

Das Wetter macht es mir grade leicht. Wenn ich genug Energie hab, kann ich auch raus. Heute, Donnerstag, bin ich noch früher dran als sonst. Da der Elektroroller immer noch auf die Reparatur wartet, auch heute wieder mit der Honda.

Wieder Richtung Norden. Es ist ruhig, der Berufsverkehr hat noch gar nicht begonnen. Durbach, Bottenau, und nun?

Ich könnte einfach noch mal nach Kappelrodeck rüber fahren. Das ist nicht originell, aber es ist eine schöne Strecke, um das Kurvenfahren zu üben. Da brauche ich echt noch mehr Sicherheit. Und vielleicht kann ich ein paar Stellen doch noch fotografieren, die ich letztes mal verpasst hab.

Tatsächlich klappt das sogar! Ich kenne die Strecke nun etwas besser. Ich suche rechtzeitig nach einer Haltemöglichkeit. Und ich bin etwas entspannter, weil ich weiß, dass ich die Strecke zurück nach Hause auch gut schaffen werde.

Ich halte zum Beispiel an diesem uralten, weitgehend zugewachsenen Gebäude direkt neben der Straße an, das mir letztes mal aus dem Augenwinkel so gut gefallen hatte. Und ich stelle überrascht fest, dass das mal ein Hotel war. Es ist eine Ruine, aber es war sicher noch nie so schön wie heute. Wie es da drinnen wohl aussehen mag?

Unten in der Stadt lugt die Sonne kurz zwischen den Wolken hindurch und taucht die Kirche in ein unwirkliches Licht. Ein Schwarm Tauben flattert um den Turm herum. In Schwarzweiß sähe das sicher sehr dramatisch aus! Aber dramatisch ist hier eigentlich gar nichts. Der Ort geht seinen ganz normalen Donnerstag-Morgen-Geschäften nach.

Ich hab die Ruhe, zum Schloss Rodeck hoch zu fahren. Was für ein Gebäude! Es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Das heutige Aussehen bekam es aber erst 1879. Weniger Geschichte also als eine romantische Idee. Aber trotzdem schön!

Und dann mache ich einen Abstecher zum Zuckerbergschloss. 2019 hatte Katrin ein Auto gemietet und wir machten einen kleinen Ausflug. Ich hatte zwar grade den Rollstuhl, aber noch nicht das Zuggerät. Deshalb musste Katrin mich den Berg hoch schieben. Jetzt staune ich, wie sie das überhaupt geschafft hatte. Das ist zwar nicht weit, aber echt steil!

Dann fahre ich weiter. Ich hatte überlegt, die Runde vielleicht sogar noch zu erweitern und über den Kniebis zurück zu fahren. Aber die Wolken hängen doch ziemlich tief inzwischen. Und übertreiben will ich es auch nicht.

Also wird es auch hier wieder die gleiche Route wie neulich. Ottenhöfen rechts ab in Richtung Allerheiligen. In einer Linkskurve sind Parkplätze entlang der Straße. Ich halte da an, um einen Schluck zu trinken. Dann sehe ich, dass genau hier ein kleiner Pfad abgeht. Ich schaue nach, und – da ist ja eine Aussichtskanzel!

Ich gehe die paar Meter runter und staune: was für ein Ort! Erst hier realisiere ich, wie eng und steil das Tal ist! Kein Wunder sind die Kurven so eng. Ich sitze lange da, lasse den Blick schweifen. Eine wirklich beeindruckende Szenerie!

Normalerweise sind solche Punkte für mich ja kaum mehr erreichbar. Und hier stolpere ich ganz zufällig so drüber. Ich freue mich riesig!

Irgendwann fängt es an zu tröpfeln. Ich will aufs Wetterradar schauen, aber hier ist null Empfang. Da ziehe ich mal besser die Regenjacke drüber. Es ist auch ganz schön frisch geworden und ich hab den Schlauchschal zuhause vergessen. Es zieht beim Fahren kalt ins Genick.

Als ich in Oppenau ankomme, brauche ich eine Pause. Hoffentlich hab ich da heute keinen Mist gebaut! Der verhängnisvolle Bärenpark-Ausflug ist jetzt fast ein Jahr her, ich hab mich bis heute nicht mehr davon erholt.

Ich bestelle in einem Café einen Tee und ein Stück Käsekuchen. Hier unten ist es deutlich wärmer als hinten im Tal. Schnell fühle ich mich wieder besser. Experimente mache ich heute aber lieber keine mehr. Und so fahre ich wieder nach Hause.

Mein Fazit für heute:
„Man steigt nie zweimal in den selben Fluss.“ Okay, ist nicht von mir.
„Mit dem zweiten sieht man besser.“ Ist auch nicht von mir.
Manchmal braucht es einfach mehrere Anläufe, um sich etwas zu erschließen. Das gilt insbesondere, wenn man so große Strecken macht und so schnell unterwegs ist wie ich mit der Honda. Also verglichen mit Wanderern, nicht mit anderen Bikern… 🙂