Manche von euch sind ja schon auf dem Laufenden. Trotzdem wollte ich mal einen Überblick liefern.
Seit drei Wochen kann ich meine Wohnung nicht mehr verlassen, weil ich es die Treppen nur mühsam wieder hoch schaffen würde. Nie hat man einen Jet-Pack, wenn man ihn braucht!
Das hier ist meine aktualisierte Formkurve:
Wie man sieht, hatte ich nach der letzten Blutwäsche am 24.09. mit etwas Verzögerung etwas mehr Energie. Das war die Zeit, wo ich noch etwas unterwegs war. Diese Wirkung hatte aber nur drei Wochen angehalten. Seither hab ich noch weniger Energie als vorher und die Tendenz weist weiterhin nach unten. Auch die Symptome nehmen zu, der Schlaf wird immer schwieriger.
Weiteres Energie-Einsparpotenzial hab ich nicht mehr, solange ich morgens überhaupt noch aus dem Bett aufstehe. Deshalb musste ich in die Pötte kommen.
Hier die aktuelle Übersicht:
Selbständigkeit
In den letzten Wochen haben mir viele von euch sehr geholfen und Essen vom Markt oder Supermarkt mitgebracht. Oder Staub gesaugt. Das ist fantastisch! Und nebenbei eine wunderbare Gelegenheit, euch zu sehen. Ich möchte meine Hausarbeit aber nicht komplett und dauerhaft an eurer Hilfsbereitschaft aufhängen. Deshalb schaue ich mich um.
Edeka hatte kürzlich einen Abhol- und Lieferdienst ins Leben gerufen. Leider ist das Ausliefern schon wieder eingestellt worden. Das fällt also flach.
Die Alternative ist eine Haushaltshilfe. Da muss ich noch schauen.
Pflege
Wegen meiner Einschränkungen hab ich eigentlich Anspruch auf einen Pflegegrad. Damit könnte ich eine Haushaltshilfe bezahlen, oder weitere Unterstützung, falls die nötig wird.
Essenszubereitung, Körperpflege etc. schaffe ich derzeit aber noch selbst und bin auch nicht geistig verwirrt. Deshalb sieht der Medizinische Dienst in seinen Fragebögen keinen Pflegegrad vor.
Die ME/CFS-Verbände arbeiten grade hart daran, dass diese Fragebögen an die Besonderheiten der Krankheit angepasst werden. Das zentrale Problem:
Es gibt einerseits wenig, was ich gar nicht machen kann.
Aber es gibt auch wenig, was sich danach nicht furchtbar und über alle Maßen rächt.
Merksatz: ‚Man kann nur das, was man tun kann ohne seine Lage zu verschlimmern.‘
Ich muss mich also mental und mit passenden Unterlagen auf das Gespräch mit einem Gutachter vorbereiten und hoffen, dass er überhaupt bereit ist, mir zuzuhören und zu versuchen, die Einschränkungen der Krankheit zu verstehen. Daran hapert es anscheinend noch in den allermeisten Fällen.
Stellatum-Block
Es gibt in der Medizin die Möglichkeit, ein Lokalanästhetikum neben einen Nervenknoten (‚Stellatum‘) im Hals zu spritzen. Dieser Nervenknoten ist die Verbindung zwischen Amygdala (‚Alarmzentrum im Hirn‘) und dem Sympathikus. Durch eine kurzzeitige Lähmung hat das Nerven- und Immunsystem eine Chance, sich neu auszutarieren.
Bei Long-Covid-Patienten hat man damit vor allem in den USA gute Erfahrungen gemacht. Als langjähriger ME/CFS-Patient ist der Effekt wahrscheinlich geringer, aber es könnte trotzdem etwas Entlastung bringen.
Das Gute ist: Es ist eine sehr etablierte Maßnahme mit relativ wenig Nebenwirkungen. Meist wird sie gegen bestimmte Schmerzen oder bei PTBS angewandt. Zum Beispiel im Schmerzzentrum in Lahr!
Dort habe ich um einen Termin für ein Vorgespräch gebeten. Der wird zwar erst in 9-12 Wochen sein. Wie lange es danach bis zu einer tatsächlichen Behandlung dauern wird und wie ich es nach Lahr schaffe, weiß ich noch nicht. Außerdem warte ich immer noch auf die Unterlagen und Fragebögen des Schmerzzentrums, mit denen ich das beantragen kann.
Dignitas
Ich bin ja seit Sommer Mitglied dort und hab jetzt eine Freitodbegleitung beantragt. Das bedeutet, dass ich Unterlagen sammeln und einreichen muss, dass ein Arzt gesucht wird, der ein Gespräch mit mir führt und einen Bericht dazu verfasst. Das wird wohl etwa vier Monate dauern. Deshalb kann ich nicht warten, bis es gar nicht mehr geht.
Nachdem das einmal postiv beschieden wurde (‚grünes Licht‘), kann ich selbst entscheiden, ob und wann ich tatsächlich die Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte. Das soll dann wohl auch relativ zeitnah möglich sein.
Diagnostik
Um aber überhaupt irgendwas von all dem oben zu bekommen, brauche ich endlich eine formale schriftliche Diagnose. Bisher hab ich nur eine Liste von Krankheiten, die ich nicht hab. Kein Arzt hat sich bisher getraut, eine positive ME/CFS-Diagnose zu stellen. Meine Hausärztin war extra hier und wir haben zusammen die Diagnosebögen durchgearbeitet. Seit über sechs Wochen warte ich aber nun auf den Befund. Sie sagt, kommt nicht dazu, das zu schreiben.
Leider blockiert sie damit alles, was ich überhaupt in die Wege leiten könnte. Während mir die Zeit langsam davon läuft. Deshalb leiere ich halt mal alles an und schaue, ob irgendetwas davon klappen wird.
Es ist alles unfassbar zäh mit dieser Krankheit! Nichts Etabliertes passt, kaum jemand kennt sich aus oder will helfen. Und das, wo man selbst eigentlich keine Kraft mehr zum Kämpfen hat.
Zum Glück bin ich gut vernetzt. Selbsthilfegruppe und das Internet zum Beispiel.
Und ihr, liebe Menschen um mich herum, die ihr mich mit eurer Hilfsbereitschaft immer wieder ganz verlegen werden lasst! Vielen Dank an euch von ganzem Herzen!