Frühjahr 2020
Seit gut einem halben Jahr bin ich nun mit meinem Rollstuhl unterwegs. Ich bin froh, dass ich meinen Sklaven gekauft hab. Mal eben in die Stadt ist damit kein Problem. Aber raus ins Grüne? Ich hab es echt probiert und bis zum Letzten ausgereizt. Hügel, die ich zu Fuß nicht schaffe, und die für den MySlave zu steil sind. Also aussteigen, nebenher gehen, und dabei vorsichtig Gas geben. So zieht mich der Rollstuhl etwas den Berg hoch. Auf der anderen Seite mit halb angezogener Feststellbremse plus Trommelbremse ganz vorsichtig wieder abwärts. Über Kopfsteinpflaster, Schlaglöcher, Schotterwege, alles nicht ideales Terrain. Irgendwann geriet mal ein Sandkorn in einen der Lenkbolzen und blockierte die Stabilisierung. Jetzt war das Fahren mit dem Gespann halsbrecherisch!
Also mit der Bahn nach Heidelberg zum Hersteller, und das Ding reparieren lassen. Der Mechaniker erledigte das sofort. Nach einer guten Stunde kam er mit ernstem Blick zurück. ‚Eigentlich ist der mySlave für die Stadt gedacht. Wir machen das jetzt noch mal auf Kulanz, aber nächstes mal…‘
So kann es also nicht weiter gehen.
Dabei nagt die Sehnsucht in mir. Zwei, drei mal haben Katrin und ich uns in den letzten Monaten einen Mietwagen genommen und sind raus gefahren. Das waren echte Highlights für mich. Nicht so gut, wie wenn man sich den Berg mit Muskelkraft erkämpft hat, aber endlich mal wieder oben stehen und ins Tal runter schauen! Für einen Schwarzwälder wie mich ist das ein Grundbedürfnis.
Leider ist oft kein Wagen verfügbar, wenn man ihn braucht. Und völlig spontan das tolle Licht ausnutzen geht schon gar nicht. Es braucht was anderes. Ideal wäre ein E-Bike, bei dem man nicht treten muss. Ich recherchiere, aber so was gibt es nicht! Ich frage in Fahrradläden nach, aber die wissen auch nichts. Das wäre doch sicher eine riesen Marktlücke!
Die Alternative
Das Nächstgrößere ist dann schon ein Elektro-Motorroller. Die 45km/h-Modelle sind durch die enormen Stückzahlen in Asien sehr günstig geworden. Wahrscheinlich kommt da preislich keiner gegen an mit einer leichteren Neuentwicklung. Aber warum eigentlich auch nicht einen Motorroller?
Ich hab etwas Schiss. Als junger Kerl hatte ich nicht mal ein Mofa. Ich hab keine Erfahrung mit motorisierten Zweirädern. Ich gehe zum Händler und er macht mir Mut. Damit ist der Samen gesetzt, und in den nächsten drei Wochen keimt der mit Macht. Ich recherchiere, rechne, schaue Testberichte und Fahr-Tutorials bei Youtube. Irgendwann gibt es die Probefahrt, und der Drops ist gelutscht. Am 6. März sitze ich auf meinem eigenen nagelneuen NIU NQI Sport:
Seither sitze ich fast jeden Tag im Sattel, und jedes mal hab ich ein fettes Grinsen im Gesicht. Der Motor hat einen tollen Anzug. Hier mal eine kleine Gegenüberstellung:
mySlave | NIU | |
Leistung | 250W | 2.400W |
Geschwindigkeit | max. 15km/h (kurzzeitig) | 45km/h (eher 50km/h) |
Steigfähigkeit | max. 6% | min. 15% zu zweit |
Bremsen | 1 Trommelbremse | 2 Scheibenbremsen |
Gewicht | 25kg (Gespann) | 95kg |
Reichweite je Akkuladung | 5-8km | 60km |
Preis | 2.500 € | 2.900 € !!! |
Da braucht es glaube ich keinen Kommentar mehr. Nichts gegen den mySlave. Er erfüllt seinen Zweck und ich möchte ihn weiterhin nicht missen. Aber der NIU hat meine Möglichkeiten gefühlt explodieren lassen! Jetzt kann ich wieder jederzeit raus ins Grüne. Ich kann Katrin mitnehmen. Ich bin wieder frei!
Und so hat sich eine absurde Situation ergeben:
Wegen Corona hat sich die ganze Welt eingeigelt. Krisenstimmung überall, niemand weiß wie es weiter geht. Menschen werden krank und sterben. Und ich ziehe zur gleichen Zeit hinaus in die Welt und mache den Easy Rider. Rock’n’Roll forever!
Klaus, Du bist echt gut!
Danke! 🙂