Als ich den Frühstückstisch decke, sehe ich unten auf der Straße Bewegung rund um den Budni. Seit dem Ladenumbau im Februar war schon das Sortiment umgestellt worden. Weniger Drogerie-, dafür mehr Nahrungsmittel. Leider nicht zu meinem Vorteil. Grob geschätzt zwölf Sorten Essiggurken, aber kein Gries. Reichlich Alkohol, aber keine Frischhefe. Ich gehe inzwischen nur noch im Notfall dort einkaufen.
Nun ist das auch ganz offiziell kein Budni-Markt mehr sondern ‚Mein Markt‘, eine Edeka-Filiale. Und deshalb sind heute Handwerker hier.
Was sich dann während ihrer Arbeit vor meinen Augen entfaltet, ist ein richtiges Stück lokale Zeitgeschichte!
Zwei Männer machen sich nämlich unter anderem an dem Schild zu schaffen, das auf die Parkplätze oben auf der Rampe gegenüber hinweist. Es stellt sich heraus, dass dieses Hinweisschild immer wieder ‚überklebt‘ worden war. Mit jeder Platte, die die beiden Männer abschrauben, gehen sie ein paar Jahre zurück in der Geschichte. Wie zwei Archäologen, die sich durch Erdschichten graben:
- Unter dem letzten Budni-Logo taucht das alte, dunkelblaue auf. Dieser Marken-Rebrand war erst vor ein paar Jahren.
- Als dieses Schild mit einiger Gewalt entfernt ist, taucht darunter ein neutrales Parkplatz-Schild auf ‚für unsere Kunden‘. Das gehörte zum ‚Treff 3000‘-Markt, einer Netto-Tochter, die bis 2019 in den Räumen war. Damals lag der Schwerpunkt im Sortiment noch eher auf Kippen und Schnaps.
- Nachdem auch dieses Schild runter ist, erscheint zu meiner Überraschung ein weiteres in gelb-blau, den Edeka-Farben! Das war vor meiner Zeit hier. Anscheinend kommt dieser Laden nun wieder zurück nach Hause.
In wenigen Minuten bin ich beim Zuschauen also sicher dreißig Jahre in die Vergangenheit gereist!
Ich schweife in Gedanken ab und krame in meinen Fotos. Was hab ich von dieser Ecke der Stadt mitbekommen?
Die Berufsschüler in der Mittagspause, die sich vor dem Regen unterstellen.
Ein Baumkletterer, der sich um die Platanen kümmert.
Die Trommlergruppe der Musikschule am Schmutzigen Dunschtig.
Klimastreikende Menschen am ‚Park(ing) Day‘.
Tatort-Dreharbeiten während des Wahlkampfs.
Und ganz viel Alltag vor der Tür.
Auch wenn ich meist den Luxus hab, auf andere Geschäfte ausweichen zu können, bin ich trotzdem froh um den kleinen Laden da unten. Er ist einfach ein Stück Leben im Viertel.