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Auslauf

Stippvisite in der Stadt

  • ME/CFS

Vor eineinhalb Wochen war ich das letzte mal vor der Tür. Einfach zu wenig Kraft für die Treppen. Heute morgen sieht es aber gut aus: Die Uhr sagt 50% Energie, ich fühle mich okay. Ich frühstücke und spüre: Yep, heute klappt’s! Sogar das Wetter ist wunderschön!

Also setze ich mich in den Rollstuhl und mache mich auf den Weg zum Markt. Als ich da ankomme, staune ich: Überall Erdbeeren, Spargel, Rhabarber, sogar schon eigene Zucchini! Wie lange war ich nicht mehr hier? Schon ein bisschen ernüchternd. Tatsächlich sind es drei Wochen. Es geht aber grade auch sehr schnell voran mit der Vegetation.

Dann kommt mir eine ehemalige Arbeitskollegin entgegen, die ich immer sehr geschätzt hab.
„Ja Klaus, was ist los? Letztes mal warst du noch zu Fuß unterwegs? Ich dachte, jetzt geht es aufwärts?“ Okay, das waren damals auch nur die paar Meter vom Rollerparkplatz zum Demeterstand gewesen. Aber es gibt mir trotzdem einen kleinen Stich.

Ich bin ja super froh, dass ich heute überhaupt mal wieder vor die Tür kann! Überall Menschen und Eindrücke, ich versuche, das aufzusaugen, so gut ich kann. Wer weiß, wann ich das nächste mal diese Gelegenheit haben werde? Was für mich also ein kleiner Triumph ist, wirkt von außen wie eine schlimme Niederlage.

Ich erzähle ihr, wie es tatsächlich steht. Dass ich nur noch selten raus komme. Sie wird ganz traurig und kann es kaum fassen. „Du, das wird wieder, du wirst ganz sicher wieder gesund!“ Sie hält kurz meinen Arm, drückt fest meine Hand. Dann verabschiedet sie sich schnell. Ich spüre, wie aufgewühlt und hilflos sie sich fühlt.

Ich bin tief gerührt von ihrer Anteilnahme. Und erschüttert. Weil es mir mal wieder zeigt, wie unvorstellbar weit weg ich bin von einem halbwegs normalen Leben.

Ich lenke mich ab, will ja den wertvollen Moment genießen. Ich drehe noch eine Runde durch die Stadt. Irgendwann fahre ich zurück und mache noch einen kleinen Schlenker über den Kasernenplatz. Hier blüht alles, das Gras steht hoch. Letztes mal gab es hier grade mal Gänseblümchen.

Ich mache ein paar Fotos, dann fahre ich nach Hause und versorge die Einkäufe.

Es war schön, draußen zu sein. Aber es war noch viel zu kurz und zu wenig, um mich emotional wieder einigermaßen anzubinden an die richtige Welt. Zwei Stunden reichen halt nicht, um mehrere Wochen Mangel aufzufüllen.

Aber vielleicht hab ich ja Glück und kann auch in den nächsten Tagen wieder raus…