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Oktober

Heftig ausgebremst

Ich gehe durch den Flur, da sehe ich was aus dem Augenwinkel. Was ist denn das???
Am Fenster was Weißes. Sind das Spinnweben? Ich freue mich ja über die Zitterspinnen in meiner Wohnung, aber das ginge mir dann doch zu weit.

Als ich näher komme, erkenne ich es. Erstens: die Fenster könnten mal wieder geputzt werden. Und zweitens: Ein Vogel, von der Größe her wahrscheinlich ein Spatz, ist anscheinend an die Scheibe geknallt. Seltsam, die kleinen Kollegen leben ja praktisch in unserem Hinterhof. Die kennen jeden Winkel. Ich schaue nach, da ist kein Vogel auf der Fensterbank, auch nicht unten im Hof. Offenbar hat er es überlebt.

Ich mache ein Foto, bevor ich die Scheibe abwische. Ich weiß, das hat was Makabres, aber es ist auch irgendwie faszinierend, wie sich jede Feder, der Schnabel, die Krallen abzeichnen.

Und dann denke ich: So fühle ich mich auch irgendwie. Wie an eine unsichtbare Scheibe geknallt. Und auch ich lebe noch. Allerdings nicht mehr gut. Ich hab meine Maßstäbe einmal mehr nach unten angepasst:

  • Ein guter Tag ist, wenn ich vor die Tür kann, z.B. zu Budni oder mit dem Rollstuhl auf den Markt. Seit der Apherese vor zwei Wochen waren das drei Tage. Offensichtlich hat die Blutwäsche keinerlei Nutzen gezeigt.
  • Ein okayer Tag ist, wenn das zwar nicht geht aber ich mich wenigstens zuhause stabil fühle. Dann kann ich bis mittags mal telefonieren oder was im Haushalt machen. Danach ist striktes Energiesparen angesagt, sonst bekomme ich Atemnot und kann damit auch nicht mehr gut einschlafen.
  • An schlechten Tagen fällt mir schon morgens das Atmen schwer. Da schleppe ich mich im Voll-Tran durch den Tag.

Das hier sind zwei Auszüge aus der Garmin-App, da sieht man mein Problem sehr gut:

Vor dem Crash Anfang Juli (erstes Bild) schlief ich meistens komplett durch. Ich konnte mich während aller Schlafphasen gut erholen und in den durchschnittlich 7,5h gut Energie ansammeln.
Seither (zweites Bild) wache ich oft auf, das Schlafmuster ist völlig zerrissen. Und selbst in den Tiefschlafphasen am Anfang der Nacht tritt zum Teil keinerlei Erholung ein. Da reichen dann auch zehn Stunden nicht. Kein Wunder reiße ich keine Bäume mehr aus.

Ich hab schon einiges versucht: mit oder ohne Mittagsschlaf. Später ins Bett. Tagsüber weniger oder mehr schonen. Das Ergebnis ist stabil schlecht. Mehr als 35% Aufladung pro Nacht schaffe ich nicht mehr. Und das führt zu dieser aktualisierten Formkurve:

Bisher hoffe ich vergeblich auf eine Aufwärtstendenz.

Am dritten Oktober hatte ich einen der wenigen guten Tage. Ich hab die Vorsicht in den Wind geschlagen und bin mit dem Roller raus gefahren. Nur eine kleine Runde an Großen Deich und Gifiz. Ich bin auf dem Roller sitzen geblieben anstatt hin und her zu laufen, und das klappte ganz gut. Vor allem tat es gut, mal wieder Wind um die Nase zu spüren.

Endlich mal wieder etwas Leben!

Ein Gedanke zu „Heftig ausgebremst“

  1. Lieber,
    irgendwie bin erschüttert und traurig wenn ich lese. Und dann sind da am Ende diese zauberhaften Fotos. Danke!
    Ich hoffe und wünsche dir so sehr dass es bald wieder bergauf geht.
    Sonja

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