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Fiasko

Was ist eigentlich der Plural von Fiasko?

  • Natur

Vögel fotografiere ich ja öfters. Das ist auch was Schönes. Aber irgendwann dürstet es den Mann nach mehr. Wilder. Gefährlicher. Großwildjagd! Für Männer aus dem Holz eines Hemmingway oder von Blixen ist ein Wintergoldhähnchen einfach keine passende Herausforderung.

Ein Freund war kürzlich morgens draußen im Ansitz. Ein Reh hat ihn fast über den Haufen gerannt, außerdem waren da etliche Steinmarder und zig Vogelarten. Das klingt genau richtig!

Freitag

Ich beschließe, mir die Gegend tagsüber erst mal in Ruhe anzuschauen: Ein kleines Waldstückchen, drumrum kleinteilige Obstanlagen, Getreidefelder, Nutzgärten und Ausgleichsflächen. Und natürlich hohes Gras. Bei der Nässe der letzten Wochen konnten die Bauern kaum mähen. Also alles tatsächlich wie geschaffen für mich.

Und ganz nebenbei ist es eine schöne Atmosphäre hier. Das Licht ist kühl, aber die Luft feucht-warm und absolut windstill. Ich merke mir ein paar mögliche Stellen, je nach Windlage, dann fahre ich wieder nach Hause.

Dienstag

Heute müsste alles passen. Das Wetter ist super. Ich war gestern um neun im Bett und hab gut geschlafen. Und so ist es kein Problem, als um 4:15h der Wecker klingelt. Die Sonne geht halt furchtbar früh auf Ende Juni. Ich beeile mich, packe die Ausrüstung und mache mich auf den Weg.

Kurz drauf bin ich da. Ich stelle den Roller ab. Ich werfe den Tarnumhang drüber, mache die Kameras bereit. Ich hab sogar einen kleinen Falthocker dabei. Wenn die Vegetation so hoch steht, sieht man nämlich nichts, wenn man unten auf dem Sitzkissen hockt. Ich hab Wasser und einen Müsliriegel dabei. Ich ziehe die schwarzen Stoffhandschuhe an, damit die hellen Finger mich nicht verraten. Ich blase ein paar Seifenblasen in die Luft, um die Windrichtung zu prüfen. Sonst wittern mich die Tiere, bevor ich irgendwas sehe.

Die Jagd

Und so pirsche ich mich so leise wie möglich etwa 30 Meter voran. Ich kann und will nicht durchs Gestrüpp kriechen, also schleiche ich leicht gebückt entlang des Feldwegs.

Dann ein lauter Schrei. Was ist das? Noch einer, Mist! Wahrscheinlich ein Rehbock, der die Herde warnt! Dann sehe ich einen großen dunklen Schatten etwa weitere 30 Meter vor mir quer über den Weg schießen. Ein Wildschwein! Mist, Mist, Mist! Ich stehe wie angewurzelt. Sind da noch mehr? Weitere Schreie des Rehbocks, jetzt schon deutlich weiter weg.

Das alles hat vielleicht fünfzehn Sekunden gedauert. Dann kehrt Ruhe ein. Puh! Ich wurde nicht von Schwarzwild angegriffen, das ist das Gute. Aber alles andere ist jetzt halt auch weg.

Das wars dann. Bisher sind alle meine Ansitzversuche gescheitert. Ich gebe mir Mühe, alles umzusetzen, was die Profis raten, aber es soll einfach nicht sein. Ein weiteres Fiasko in der Sammlung.

Als mein Puls wieder ruhig ist, beschließe ich, mich hinzusetzen. Vielleicht tauchen einige Vögel auf, wenn sich alles beruhigt hat. Hemmingway hin oder her, in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Apropos. Ich sitze noch keine Minute, dann wird es ungemütlich. Stechmücken! Das hatte ich ja schon erwartet und mich mit Autan eingesprüht. Aber anscheinend können die Biester nicht lesen. Jedenfalls haben sie das Frühstücksbuffet für eröffnet erklärt. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Nadelkissen und bekommt seltsame Beulen. Und fotografieren geht auch nicht gut, wenn ganze Schwärme vor der Linse rumtanzen.

Uff. Na schön, man muss in einem Kampf wissen, wenn man verloren hat. Der Jäger wird zum Gejagten, flüchtet, sitzt auf und fährt los.

Sicheres Terrain

Inzwischen ist die Sonne über die Berge gekrochen. Durch den Motorradhelm stechen auch die wildesten Schnaken nicht durch. Und so mache ich noch einen Abstecher den Hügel hoch. Einfach für die Morgenstimmung. Das ist echt schön hier! Wo die Sonne hin scheint, sind auch sofort die Schnaken weg. War das überhaupt was?

Ich sitze eine ganze Weile so da. Als die ersten Landwirte auftauchen, um die Reben zu spritzen, mache ich mich auf den Heimweg.

Standortwechsel

Am Ortenberger Baggersee stehen einige Wohnmobile, trotzdem scheint es ruhig zu sein. Also lege ich noch einen kleinen Zwischenstopp ein. Ein Althippie fläzt sich vor seinem umgebauten Wohn-LKW zu leiser Musik auf einem Klappstuhl und nippt am Kaffee. Außer ihm ist anscheinend noch niemand wach hier.

Ich hocke mich ans Wasser, fotografiere. Bald taucht ein Blässhuhn auf. Mit drei Jungen! Ich schnappe die lange Linse und halte drauf. Die Familie verzieht sich sofort wieder ins Schilf. Doch nach wenigen Minuten kommen sie wieder raus. Und schwimmen genau auf mich zu! Mir sind keine Schilderungen tödlicher Begegnungen mit Blässhühnern bekannt, also bleibe ich einfach hocken und fotografiere weiter.

Auch die scheinen mich – zum Glück auf eine andere Art als die Schnaken heute morgen – mit Frühstück zu verbinden. Ich hab aber nichts anzubieten, und so schwimmen sie einen Meter vor mir seelenruhig vorbei. Mama, Papa, Tick, Trick und Track. Neben mir spazieren sie fröhlich fiepend an Land und fressen, was sie dort so finden. Als sie genug haben, verziehen sie sich wieder.

Irgendwann packe auch ich zusammen und fahre nach Hause. Jetzt war es doch noch ein schöner Ausflug. Merke: Nicht alles, was als Fiasko beginnt, bleibt auch eins!

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