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Hornberg

Mobilitätseingeschränkt

Seit einigen Wochen schon möchte ich meinen Vater endlich mal in Hornberg besuchen. Zwei Anläufe sind bisher gescheitert, weil mir unterwegs die Energie dazu ausgegangen war. Es ist halt ein langes Tal, das man hoch und wieder zurück fahren muss. Es gibt keine Abkürzungsmöglichkeit.

Heute könnte es aber klappen! Ich hab ordentlich ausgeschlafen, es ist Sonntagmorgen, also wenig Verkehr, und das Wetter ist auch noch nett zu mir. Ich fahre den direktesten Weg, keine Schlenker, keine Energie verschwenden.

Die Fahrt

Das war der Plan. Ab Gengenbach wird der Verkehr aber bis Biberach auf die alte B33 geleitet. Was haben die da vor? Durch Haslach geht es logischerweise langsamer. Bei Hausach wird der Tunnel grade saniert, deshalb geht der gesamte Verkehr durch den Ort, hier Tempo 30.
In Richtung Gutach dann zwei kleine Baustellen, von denen man außer den aufgestellten Tempo-30-Schildern nichts sieht. Ein Halt am Bahnübergang. Durch Gutach Tempo 50, zwischen 22h und 6h wäre sogar Tempo 30. Gutach geht nahtlos über in Hornberg, dort ist generell Tempo 30.

Für mich ist das Gezuckel heute etwas nervig und auf seine eigene Art erstaunlich anstrengend. Leider hat meine Forza keinen Tempomaten. Aber ich hab keine Eile und es sind nicht viele Fahrzeuge unterwegs. Wie sich diese Strecke im Berufsverkehr fährt, mag ich mir nicht ausmalen.

Hornberg

Und so schaffe ich es heute tatsächlich bis Hornberg. Mein Vater freut sich riesig, mich zu sehen, auch wenn er mich mit meinem sieben-Tage-Bart und Biker-Montur kaum erkennt. Das geht ja sogar mir selbst manchmal noch so, wenn ich mich irgendwo in einer Glasfront oder einem Spiegel sehe. 🙂
Ich hatte mich auch nicht angekündigt, weil ich ja nie weiß, ob ich ankommen werde.

Ich bin etwa eine Stunde da, dann verabschiede ich mich wieder. Kräfte einteilen! Ich mache zum Ausruhen noch ein Vesperpäuschen oben beim Schloss. Eine tolle Sängerin und ein Gitarrist machen Musik, es gibt Sekt für die, die wollen. Das ist mal echt lässig hier!

Und dann mache ich mich ganz gemütlich auf den Heimweg. Auch der zieht sich. Ich hab wirklich volles Verständnis für Lärmschutz und Unfallverhütung. Aber es sind halt doch gut 45km Strecke, und bis Gengenbach geht es wegen der Baustellen kaum irgendwo schneller als Tempo 50. Obwohl die Forza super bequem ist, bin ich am Ende ganz schön platt und echt froh, zuhause zu sein.

Mobilität 2.0?

Meine Biker-Montur hat den Namen ‚Open Road II‘. Sowas wie eine offene Straße gibt es aber nicht mehr. Es ist ein fortlaufendes Suchen nach Ausweichrouten, ein Umdenken, ein Kompensieren von Baustellen, Unachtsamkeiten und Launen anderer Verkehrsteilnehmer. So schön das Fahren mit dem Roller eigentlich ist, aber ich weiß echt wieder, warum ich nie begeisterter Autofahrer war und mein Auto 2011 verkauft hab.

Meine früher so geliebte Bahn ist halt leider auch keine Alternative mehr für mich. Die fährt zwar laut Fahrplan ruck-zuck von Offenburg bis Hornberg ohne Umsteigen. Das Ticket kostet einen Spottpreis. Doch dann schlägt auch hier die Realität zu:

Ein Kilometer bis zum Bahnhof. Aufzüge, die regelmäßig außer Betrieb sind. Züge, die sehr viel später kommen oder gar nicht. Schienenersatzverkehre. Der Weg vom Zielbahnhof zum Wunschort. Heute wären das 800 Meter gewesen mit bis zu 10% Steigung. Und das Ganze auf dem Heimweg wieder zurück. Für mich völlig unmöglich.

Irgendwie treffen da zwei gegenläufige Entwicklungen aufeinander:
Ich finde mehr Möglichkeiten, trotz ME/CFS mobil zu sein.
Gleichzeitig wird die Mobilität in unserer Gesellschaft insgesamt immer komplizierter und mühsamer. Ist natürlich doof. Leider, leider wird das mit dem „Beam me up, Scotty!“ weder theoretisch, noch praktisch jemals funktionieren.

Werden wir in der Zukunft alle zunehmend mobilitätseingeschränkt sein?
Wird es dann heißen: „Mach es zu Fuß, mach es mit dem Fahrrad oder mach es online?“
Und könnte das vielleicht sogar die lokale Verbundenheit der Menschen wieder stärken?

Wie auch immer. Es war ein spannender Tag heute. Wieder ein kleiner Meilenstein für mich. Ich hoffe, dass ich noch öfters die Gelegenheit haben werde, Papa zu besuchen. Es muss dazu halt einiges zusammen passen.

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