Ich bin jetzt seit drei Wochen unterwegs. Ich besuche jemanden, wir waren erst eine Woche bei ihm zuhause, dann brechen wir gemeinsam auf zu einer mehrtägigen Radtour. Als wir unterwegs sind, verfinstert sich der Himmel. Blitze zucken, wieder, wieder, fast ohne Pause. Der Donner rollt und knallt links und rechts und über uns.
Wir hätten die Wettervorhersage ernst nehmen müssen! Eine epische Kaltfront kommt auf uns zu, überrollt uns. Es sollen Temperaturen werden von bis zu minus 25 Grad, mitten im Sommer! Und wir strampeln in strömendem Regen in kurzen Hosen. Aber damit hatte ich ja vorletzte Woche beim Packen noch nicht rechnen können. Wir werden hier erfrieren oder vom Blitz erschlagen, wenn wir nicht ganz schnell irgendwo unterkommen.
Dann wache ich langsam auf. Ein heftiges Gewitter hier über Offenburg. Was? Oh, GELEGENHEIT !!!
Jetzt geht es ganz schnell:
- aufstehen,
- die beiden Kameras aus dem Schrank holen, die Objektive tauschen,
- am 24-105mm-Objektiv Autofokus und Bildstabilisierung deaktivieren, Sonnenblende als Regenschutz anbringen,
- die Stativhalterung an die R6 schrauben,
- das Stativ aufbauen,
- die Kamera drauf montieren,
- den Tisch auf dem Balkon etwas nach vorne schieben,
- Kamera und Stativ drauf stellen,
- Belichtungszeit 10s, Blende 4, ISO 100 einstellen,
- Display ausklappen,
- manuell auf die Fenster der Häuser gegenüber fokussieren,
- die Intervall-Automatik mit 13 Sekunden und unbegrenzten Bildern aktivieren und
- auslösen.
Das alles hat etwa zwei Minuten gedauert, es ist ja nicht mein erstes mal. Ich lasse die Kamera jetzt einfach vor sich hin fotografieren, aber das Gewitter ist schon fast über uns hinweg. Die besten Fotos bekommt man, wenn die Gewitterfront sich nähert und die Blitze vor der Regenwand toben. Jetzt aber regnet es kräftig und das ganze Wasser schluckt und verwischt optisch die Blitze. Den tollsten Schuss verpasse ich auch noch, weil der Blitz genau in die eine Sekunde Pause zwischen zwei Bildern gefahren ist.
Menno! Was für fantastische Fotos da möglich gewesen wären, wenn ich schneller aufgewacht wäre! Aber ich hab halt einen sehr soliden Schlaf, und es war eine spannende Story, die sich mein Traumzentrum da ausgedacht hatte. Sowas gibt man nicht so schnell auf.
Das hier ist der einzige gute Treffer, den ich so nachts um zwei Uhr erwischt hab:
Am 11. Juli gab es hier eine Gewitterfront, die schon in der Abenddämmerung angerollt war. Das war fotografisch schwierig, weil das Tageslicht mit jeder Minute abnahm und ich immer wieder die Einstellungen nachjustieren musste. Dafür bekam ich das Gewitter damals rechtzeitig mit. Und das Spiel der Farben auf den Bildern mit blauem Abendlicht und violetten Blitzen gefällt mir sehr:
Ich kann es nicht leugnen. Ich hab zwar großen Respekt vor Gewittern, und draußen im Freien möchte ich lieber keins erleben. Aber diese unfassbare Energie, die physikalischen Abläufe, die Schönheit, die Stimmung, das alles fasziniert mich sehr…