Es ist toll, wenn man morgens aufwacht und sich richtig ausgeschlafen fühlt. Nur nicht als Naturfotograf im Juni. Ausgeschlafen heißt da eigentlich immer ‚zu spät dran‘. Aber was solls. Auch wenn das schöne weiche Morgenlicht weg ist, kann man ja immer noch Location Scouting machen. Neue gute Plätze suchen für nächstes mal, und dabei den Tag genießen.
Bei Gengenbach gibt es ein paar kleine Anglerseen. Wasser, daneben Wald, das ist ja oft eine gute Kombi für Vögel. Also fahre ich da hin. Im Wald zwitschert es auch ordentlich, aber ich bekomme kaum einen der Verursacher zu sehen.
Dann fällt mir auf, dass einige Schmetterlinge unterwegs sind. Neben dem Weg erwische ich einen kleinen Fuchs. Ein Admiral setzt sich kurz drauf direkt vor mir auf den Boden. Als Kind war das mein Lieblings-Schmetterling, und das hieß schon was!
Damals stand ein Schmetterlingsbaum direkt neben unserem Haus mit jeder Menge kleiner Füchse, Pfauenaugen, Kohlweißlinge, Zitronenfalter und was weiß ich noch alles. In dem einen Busch tummelten sich damals mehr Flattermänner als ich heute über einem ganzen Tag finden kann. Eine echt traurige Entwicklung!
Als ich so am Fotografieren bin, kommt ein Radfahrer mit Anhänger und verscheut den Admiral. Der Mann hält an. ‚Ah, was fotografierst du?‘ Wir kommen ins Gespräch. Jürgen ist begeisterter Tierfilmer und hat auch sein Equipment dabei. Das ist sogar der Grund für den Anhänger!
Immer wenn ich Zweifel bekomme, ob ich das mit der teuren Fotoausrüstung nicht doch vielleicht ein bisschen übertrieben hab, treffe ich jemanden, der eine ganze Größenordnung drüber liegt. Das beruhigt das Gewissen, erzeugt aber dummerweise gleich den ‚will-auch-haben-Effekt‘.
Als wir uns unterhalten, fliegt ein Pirol im Tiefflug quer über die Wiese in den Wald. Und dann ein recht großer Schmetterling, den ich nicht kenne. Jürgen reagiert sofort: ‚ein Schillerfalter!‘
Leider sind Sonntags ab halb elf Uhr ziemlich viele Menschen unterwegs. Zuweilen erinnert es mich hier an eine Fronleichnams-Prozession. Jogger, Radfahrer, Spaziergänger zusammen mit anderen Menschen, mit Hunden, und zur Not – auch mit Lamas. Kein Witz!
Immer wieder wird der Schillerfalter aufgescheucht, aber er kommt immer wieder her. Am Boden, mitten auf dem Fahrweg, liegen Reste von Exkrementen. Die Männchen dieser Schmetterlinge lieben diese Nährstoffquelle. Alle paar Minuten kommt unser ‚Kleiner Schillerfalter‘ zurück (so heißt der korrekt). Das hier ist anscheinend sein Fastfood-Fly-in-Schalter.
Jürgen nimmt seine Filmkamera und tastet sich immer näher ran. Hätten Schmetterlinge Zähne, könnte er jetzt den Zahnstein erkennen. Mein Objektiv kann nicht näher als einen Meter, und so fotografiere ich halt Jürgen beim fotografieren. 🙂
Das auf den Fotos ist übrigens immer ein und das selbe Exemplar! Die Flügel sind eigentlich dunkelbraun, aber wenn das Licht in einem bestimmten Winkel drauf fällt, wird es intensiv blau gebrochen. Das sieht echt psychedelisch aus! Und auf der Flügelunterseite trägt er einen schönen Hellbraun-Farbmix. Hätte dieser Schmetterling noch keinen offiziellen Namen, ich würde ihn den ‚3-in-1-Falter‘ nennen.
Dann fliegt ein Pärchen filigraner Federlibellen im Tandem vorbei. Auch eine schöne Art, einen gemeinsamen Sonntagsausflug zu machen.
Gegen Mittag wird es selbst hier am Waldrand ganz schön heiß, und der Hunger meldet sich. Ich verabschiede mich von Jürgen und fahre gemütlich nach Hause. Das war doch noch ein richtig spannender Vormittag!