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Schutterwald

Frühschicht

  • Natur

Es ist schräg: Es fühlt sich an, als wären wir jetzt endlich mal im Frühling angekommen. Die Natur wächst und gedeiht, ab und zu kann man mittags schon ohne Jacke draußen sitzen. Dabei ist schon Anfang Mai. Und wenn man den Sonnenaufgang erleben will, muss man um sechs Uhr vor Ort sein. Weit ist es nicht mehr zur Sommersonnenwende!

Und so stelle ich den Wecker auf unsägliche 4:30h. Da ich tags zuvor abends sehr müde und schon um halb acht im Bett war, stimmt die Rechnung wieder. Und tatsächlich bin ich um viertel vor sechs am Schutterwälder Baggersee. Ich höre eine Nachtigall, Amseln, Möchnsgrasmücken. Zum Fotografieren von Vögeln ist es für meine Kamera aber noch viel zu dunkel.

Der Plan war, die aufgehende Sonne hinter dem Schwimmbagger zu fotografieren. Ich hab extra Stativ und Graufilter eingepackt, um das Maximum rauszuholen. Aber vor Ort sehe ich, dass das nix werden wird: Der Wald ist im Weg. Und überhaupt. Bis die Sonne morgens endlich über den Schwarzwald gekrochen ist, ist die Hälfte der goldenen Stunde schon um. Na ja, war ein Versuch.

Ich drehe eine Runde um den See, mache Fotos von einem halb verfallenen Steg. Da sehe ich einen dunklen Vogel vorbei fliegen. Groß, aber keine Krähe! Ich reiße die Kamera hoch, drücke ab, keine Ahnung, ob irgendwas davon scharf ist. Zuhause schaue ich die Bilder an: Es ist ein Schwarzspecht! Ich hab bisher noch nie einen gesehen!

Auch ein Erfolg. Als die Sonne höher steigt, gibt es hier nicht mehr viel zu sehen. Also fahre ich noch das Stück raus in die Unterwassermatten. Wo ich schon mal in der Nähe bin…

Für Kiebitze und Brachvögel hat man eine große Wiese extra eingezäunt, damit die da ungestört brüten können. Das scheint auch gut zu klappen, es herrscht reges Treiben. Was ich nicht verstehe ist, dass das Gras immer noch so niedrig ist. In diesem Bereich grasen nicht wie gegenüber Kühe und Pferde. Und dass ein Landwirt die Wiese abmäht, ohne die Nester zu gefährden, kann ich mir auch nur schwer vorstellen. Aber wie gesagt, es scheint zu funktionieren. Keine Ahnung, Mysterien des Alltags!

Auf der erwähnten anderen Seite genießt eine Gruppe von Pferden die Morgensonne. Einige machen im Stehen ein Nickerchen, andere frühstücken. Zwischen ihren Beinen huschen kleine gelbe Gestalten hektisch umher. Ich zoome rein, es sind Schafstelzen. Sie stürzen sich auf die Insekten, die von den Pferden beim Grasen aufgescheucht werden. Das Größenverhältnis wirkt absurd, aber das Pferd scheint sich nicht an dem Gewimmel vor seinem Maul zu stören, und die Kleinen sind schnell genug, um nicht versehentlich zertrampelt oder zerkaut zu werden. Ein witziges Schauspiel!

Irgendwann mache ich mich gemütlich auf den Rückweg. Ein Fasan spaziert über den Weg. In den Büschen rechts von mir putzt sich eine Goldammer. Dann sehe ich etwas Kleines, Braunes. Es bewegt sich so schnell, dass ich es mit der Kamera nur halb erwische. Meine Vogelstimmen-App sagt, es sei eine Dorngrasmücke. Schon wieder eine Premiere!

Aus dem Schilf, das in einem winzigen Entwässerungskanal wächst, kommen so richtig schräge Geräusche! Es muss auch ein Vogel sein, sicher keine fünf Meter vor mir, aber im Gras unsichtbar. Wieder die App, diesmal ist es ein Drosselrohrsänger. Wen es übrigens interessiert: Auf den Wikipedia-Seiten zu den Vogelarten sind meist auch gute Gesangsbeispiele zum Anhören. Es ist wirklich erstaunlich, was dieses Piepmätze so alles von sich geben können!
Vielleicht kann ich künftig auch selbst mit dem Smartphone Stimmen aufnehmen. Ich arbeite dran…

Ein Stück weiter sitzt ein Schwarzkehlchen genau an der gleichen Stelle wie beim letzten Mal. Und noch etwas weiter, mitten auf einer Wasserbüffel-Weide, lauert ein Neuntöter-Weibchen auf Insekten. Wunderbar, so viel Leben!

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