Als Naturfotograf lernt man Demut. Man checkt Wetter, Vegetation und Licht, man erkundet die Fotospots, bereitet sich vor. Und dann zieht eine fette Wolke rein. Oder der Eisvogel kommt heute nicht. Man kann planen, man sammelt Ideen, aber am Ende muss man einfach im entscheidenden Moment bereit sein.
Menschen auf der Straße zu fotografieren funktioniert genauso. Eigentlich wollte ich genau das ja machen. Aber meine Beine sind selten fit genug dafür. Und es ist kalt geworden. Die Leute mummeln sich warm ein und erledigen schnell ihre Dinge. Kaum Schlendern, wenig offene Momente. Schwierig.
Also verabrede ich Fotosessions. Und das ist ein völlig anderes Geschäft! Hier kann ich nicht warten und reagieren. Hier muss ich das Setting selbst gestalten, Anweisungen geben, kreativ sein. Und weil es um diese Jahreszeit so früh dunkel wird, hab ich mir letzte Woche eine kleine Lichtanlage gekauft. Seither lerne und übe ich. Himmel, ist das kompliziert! Ich hätte nie gedacht, dass man bei der Lichtsetzung so viel falsch machen kann! Was ich schon begriffen hab:
1.. Je weiter die Lichtquelle weg steht, desto härter die Schatten! Das hat mich total überrascht! Ich dachte, dass sich mit größerer Distanz das Licht eher verteilt. Entscheidend ist aber allein die Größe der Lichtquelle. Die Sonne zum Beispiel ist ein kleiner, unfassbar heller Punkt am Himmel. Deshalb sind die Schatten so hart. An einem bewölkten Tag kommt das Licht dagegen gleichmäßig vom ganzen Himmel. Also riesige Lichtquelle, also sehr weiche Schatten:
2. Mir gefällt es eigentlich ganz gut, wenn bei Portraits nicht alles ganz glatt gebügelt ist. Charaktergesichter und so. Was stören also härtere Schatten? Das beantwortet sich sehr schnell, wenn das Model eine Brille trägt:
Komische Linien im Gesicht. Außerdem spiegeln sich die Lichtquellen in den Augen. Beim ersten Bild entsteht so eine Art Silberblick-Effekt. Auch nicht so hübsch.
3. Die neuen Lampen sind super hell. Denkt man im ersten Moment. Aber selbst bei Volldampf bringen die weniger Licht, als an einem trüben Tag mittags durchs Fenster fällt. Das ganze Zimmer taghell erleuchtet bekomme ich damit nicht.
4. Es ist toll, dass ich fotografieren kann, wann immer ich Lust hab und ein Model Zeit hat. Und nicht nur morgens oder abends, wenn das Wetter grade mal passt.
Vor ein paar Tagen hab ich einen alten Tatort im Fernsehen angeschaut. Ich kannte ihn schon und war eigentlich müde. Aber das Licht war sehr auffällig und interessant gesetzt. ‚Aha, orangenes Licht von rechts vorne, das soll die Straßenbeleuchtung simulieren. Im Kontrast dazu blaue Lampen von links hinten von der Spurensicherung, dazwischen die Darsteller. Sehr chick!‘
Früher hab ich Filme angeschaut, um mich von der Handlung fesseln zu lassen. So weit ist es also schon gekommen… 🙂