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Frühschicht2

Frühschicht

  • Natur

Was ich weiß in Sachen Fotografie, das lerne ich ja hauptsächlich aus youtube-Videos. Einer der Naturfotografen hat erzählt, dass er morgens immer schon zwei Stunden vor Sonnenaufgang vor Ort ist, damit er die morgenaktiven Tiere mit dem Ankommen und Aufbauen nicht stört.

Das ist mir zu krass, aber als ich Mittwoch eh um 4:25h aufwache, stehe ich auf und bin tatsächlich um 5:15h in Zunsweier. Ich checke die Windrichtung und positioniere mich am Rand eines Maisfeldes, vor dem kürzlich Feldhasen und Rehe unterwegs waren. Und dann heißt es warten…

Bis 6h passiert überhaupt nichts. Zum Glück ist es nicht kalt. Doch kurz vor Sonnenaufgang wird es unruhig: Ich höre aus der Ferne die Rufe von Bienenfressern und mache mich bereit. Tatsächlich kommen sie näher. Ein riesiger Schwarm, ca. 100 Vögel, rückt an, und grade als die Sonne über den Berg kommt, lassen sie sich auf den Bäumen um mich herum nieder. So bunt diese Vögel sind, in den Bäumen sieht man sie kaum. Zum Glück sind sie so laut!

Nach kurzer Zeit kommt der Schwarm wieder in Bewegung. Zeit fürs Frühstück! Sie fliegen kreuz und quer über die Felder um mich herum und jagen. Dazwischen fliegen einige Rauchschwalben umher, und was Schnelligkeit und Artistik angeht, schenken sie sich nichts.
Ich wundere mich, weshalb die Bienenfresser ihre Beute nicht gleich in der Luft fressen. Sie tragen sie erst zu einem Baum. Inzwischen hab ich gelesen, dass sie die erbeuteten Bienen und Wespen an Ästen reiben, um das Gift auszudrücken. Erst dann schlucken sie den Leckerbissen. Mahlzeit!

Irgendwann ziehen die meisten Bienenfresser weiter über den Hügel und es kehrt etwas Ruhe ein. Ein Mäusebussard zieht gemächlich herüber und lässt sich auf einem Baum nieder. Keine gute Idee! Ein großer Schwarm Stare mag das gar nicht und fliegt aufgeregt und zeternd aus dem Baum auf. Die Stare hatte ich (wie offenbar der Bussard) vorher gar nicht wahrgenommen!

Einige Zeit später kommt auch bei mir etwas Hunger auf. Ich sitze inzwischen ja auch schon fast drei Stunden auf dem Boden rum. Ich will grade das Vesper auspacken, als ich einen Pirol höre. Ich lasse den Blick in die Richtung der Rufe schweifen, und – was für ein Glücksfall! – ein Männchen sitzt ganz offen oben im Baum! Kurz drauf sehe ich auch einen Jungvogel im Nachbarbaum. Super!

Als ich mein Brot gegessen hab und mich wieder bereit mache, höre ich ein Rascheln neben mir. Ein Gartenrotschwanz hüpft gut einen Meter neben mir herum und schaut mich an! Als er nichts abbekommt und ich auch sonst wohl nicht interessant bin, verdrückt er sich in aller Ruhe ins Maisfeld.

Nach insgesamt vier Stunden packe ich zusammen. Das Tarnen scheint wirklich zu funktionieren. Die Tiere haben kaum Notiz von mir genommen und einfach ihr Ding gemacht. Ein tolles Gefühl, so Zeuge sein zu dürfen!

Zuhause packe ich aus, mache mich frisch, dann gibt es ein frühes Mittagsschläfchen. 4:25h ist echt keine christliche Zeit. Nächstes mal muss 6h vor Ort reichen. Rehe und Hasen waren ja eh keine gekommen.

Etwas später mache ich mich dran, die Bilder auf den Rechner hoch zu laden. ‚Nicht genügend Speicher auf der Festplatte.‘ Oha! Über 1.800 Fotos sind es anscheinend! Ich muss erst ältere Dateien auf die externe Festplatte auslagern, damit ich weiter machen kann.

Inzwischen ist Freitag, ich war fleißig, und dies hier ist das Ergebnis meiner Frühschicht. Am liebsten wäre ich jeden Tag draußen, das ist echt Balsam für die Seele. Aber mein Rücken hat ein paar Tage Pause eingefordert, und mein Rechner japst nach Luft. Morgen ist auch noch ein Tag, und das ist in Ordnung.

4 Gedanken zu „Frühschicht“

  1. Tolle Ausbeute! Am besten gefällt mir das Bienenfresser-Bild, auf dem der eine Vogel eine Wespe im offenen Schnabel hat und der andere so interessiert guckt.
    Bei sowas zahlt sich bestimmt die hohe Frequenz bei Serienbildern aus, die deine Kamera ja bestimmt hat. Den genauen Moment muss man ja auch erst mal erwischen…

    1. Stimmt, die 20 Bilder pro Sekunde machen so etwas überhaupt erst möglich. Aber dafür muss man zuhause halt dann ausgiebig filtern. Und das heißt auch oft ‚kill your darlings‘.

  2. Grandiose Fotos, ich bin begeistert. Da lohnt sich offensichtlich das frühe Aufstehen.
    Der Gartenrotschwanz ist übrigens ein Männchen im Schlichtkleid und kein Weibchen.

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